Was versteht man unter Hochsensibilität?
Hochsensible Menschen nehmen ihre Umwelt viel intensiver wahr als andere Menschen. Sie erleben äußere Reize wie Geräusche, Gerüche und Lichteffekte stärker. Mit dieser Flut an Eindrücken sind sie oft überfordert.
Hochsensibilität bedeutet, dass betroffene Kinder und Erwachsene über Ihre Sinnesorgane Gehör, Augen, Nase, Geschmackssinn bewusst und unbewusst viel stärker Informationen war nehmen als Nicht-Betroffene. Somit ist aber die Informationsflut, die im Gehirn verarbeitet werden muss, um ein vielfaches höher als bei anderen Menschen.
Die Überforderung kann sich durch verschiedene Verhaltensweisen bemerkbar machen. Aggressive Reaktionen auf zu viel Lärm, Rückzug von einer Gruppe spielender Kinder, laute Musik wird als Belastung empfunden und man versucht den Raum zu verlassen… die Energiereserven sind also schnell aufgebraucht.
Hochsensibilität bedeutet jedoch nicht ausschließlich eine Überempfindlichkeit gegenüber äußeren Reizen. Auch auf der zwischenmenschlichen Ebene kann diese Hochsensibilität bestehen. So wird die Gefühlslage und Stimmung von anderen Menschen wesentlich deutlicher wahr genommen und die Belastung durch Konflikte ist so groß, dass diese möglichst schnell aus der Welt geschafft werden wollen.
Hochsensibilität vs. AD(H)S
Haben Kinder in der Schule, insbesondere bereits in der Grundschule Konzentrationsschwierigkeiten, wird schnell die Diagnose AD(H)S gestellt.
Verständlicherweise sind viele Eltern über die Richtigkeit der Diagnose verunsichert. Jedoch ist bei vielen Familien der Leidensdruck oft schon vor der Diagnose bestehend.
Jedoch kann gerade für das betroffene Kind eine Diagnose – besonders AD(H)S als niederschmetternd wirken. Das Kind fühlt sich als „nicht normal“ und „nicht dazugehörig“.
Viele Eltern suchen nach alternativen Erklärungsversuchen.
Wir wissen seit einigen Jahren, dass AD(H)S weder eine Krankheit noch eine Hirnstörung ist. Die Verhaltensauffälligkeit ist einzig und allein ein Mangel an Lernerfahrung des Gehirns.
Das Gehirn von Kindern befindet sich in der Entwicklung und es braucht Erfahrung. Diese Erfahrung muss ein Kind erst machen und lernen. Dieser Prozess benötigt bei manchen Kindern besonders viel Unterstützung. Leider sind die Erwartungen der Gesellschaft an das Kind als Person nicht so tolerant, dass natürliche Unterstützung ohne sofortige Therapien noch gerne gegeben wird.
Leider machen Kinder in unserer heutigen, sehr digitalisierten Zeit, in der auch die zwischenmenschliche Interaktion zwischen Eltern und Kinder immer öfter auf ein Minimum heruntergefahren ist (schon dem Baby wird zum Ruhigstellen das Mobiltelefon in die Hand gedrückt), zu selten bestimmte positive Erfahrungen, dafür aber zu häufig ungünstige Erfahrungen, die sich auf die Gehirnentwicklung und das psychosoziale Verhalten niederschlagen.
.Warum steigt die Diagnose AD(H)S (v.a. bei Jungs) so rasant an?
1. Es ist in den meisten Fällen für alle Beteiligten bequem
2. Eltern sind oft froh, dass es ein angeblich „genetischer Defekt“ ist.
ACHTUNG: Wie bereits beschrieben, ist diese Diagnose weder ein Krankheitsbild noch eine Hirnstörung und somit keine „Diagnose“ sondern höchstens eine Auffälligkeit und „Verhaltensstörung“!
3. Ärzte können schnell und einfach mit Psychopharmaka behandeln und das Problem des Systemstörers „beseitigen“.
4. Lehrer sind froh, dass die Verantwortung abgegeben werden kann und es eine „Diagnose“ gibt.
5. Pharmaindustrie verdient gutes Geld.
(inhaltlich übernommen aus einem Interview mit Dr. G. Hüther)
Hat ein Kind einmal so eine Diagnose gestellt bekommen, steht dies in seiner Akte, trägt ein Leben lang diesen „Makel“ mit sich herum und wird diesen nicht mehr los. Ganz egal welche Leistungen es erbringt, das Kind wird fast immer nur auf diese „Diagnose“ reduziert.
Das Medikament – meist Ritalin – übernimmt im Gehirn nun Impulsregulation und verändert somit die Verhaltensweise des Kindes.
ABER:
Das Kind ist dadurch völlig unfähig, die korrekten Verhaltensweisen von selbst zu erlernen und zu regulieren. (Impulskontrolle/Frusttoleranz/ Handlungsplanung)
Dies kann sich jedoch nur entwickeln, wenn Kinder die Möglichkeit dazu bekommen. Ein Erlernen ist durch eine medikamentöse Therapie ausgeschlossen und blockiert.
Man muss jedoch auch hier Unterscheidungen treffen und deutlich differenzieren. Manche Kinder profitieren sogar von einer medikamentösen Therapie.
Dies ist der Fall bei massiven motorischen Problemen. Stimulantien sorgen für eine geordnetere Reizaufnahme und Reizverarbeitung. Doch sollte die Indikation generell sehr streng gestellt werden und eine primäre sowie begleitende Therapie durchgeführt werden.
Es soll also nicht alles schlecht geredet werden. Wichtig ist mir persönlich aber ein vernünftiger und nicht vorschneller Umgang mit der Verschreibung von Medikamenten.
Warum erscheint die Problematik jetzt so häufig?
Kinder waren früher nicht anders. Jedoch hatten diese noch viel häufiger die Möglichkeit und Chance zu zeigen, welche Fähigkeiten sie haben und was sie können. Gemeinsam mit anderen Kindern Probleme lösen war viel häufiger notwendig und erwünscht.
Durch die heutige Verschulung unseres Systems bekommen Kinder fortwährend Unterricht und Belehrung, aber keine Gelegenheit, sich selbst auszuprobieren, das Gelernte anzuwenden und praktische Verknüpfungen mit Bezug in die Realität aufzubauen. Das theoretische Wissen bleibt im Klassenzimmer, wird bruchstückhaft mit nach Hause geschleppt, dort widerwillig für Hausübung angewendet und vom Gehirn nach getaner Arbeit mit dem Vermerk „interessiert mich nicht“ noch lückenhafter teilarchiviert oder als erledigt in den „Papierkorb“ verschoben.
Somit baut sich nur sehr schwer und mit viel Frust und harter Arbeit Grundwissen auf, da sich das Gehirn bei einem Großteil der Kinder gegen diese zwanghaft falsche Art zu lernen wehrt. Dadurch entsteht mitunter schnell Lernfrustration und eine Spirale, die die Schüler immer weiter nach unten zieht. Es wird versucht, einen Ausweg zu finden und der einzige Ausweg ist die Deklarierung:
Der Lehrer ist doof… der mag mich nicht…
Das brauche ich sowieso nicht mehr….
Schule ist doof und uncool…
Schüler werden zu Objekten gemacht und als einzige Chance können sie Ihr Gegenüber auch nur zu Objekten heruntersetzen.
Kinder wollen wichtig sein und Anerkennung finden.
Besonders Jungs, die von Geburt an immer nach „Höherem“ streben, wollen sich beweisen. Da dies in unserem Schulsystem nicht ermöglicht wird, entsteht oft Lernfrustration und Ablehnung gegenüber Schule und Lernen. Somit blockiert auch das Gehirn der SchülerInnen und es wird nur noch „Bulimielernen“ betrieben.
Durch die Systemvereinheitlichung wird das Gehirn der Kinder zum Stillstand gezwungen und somit die wichtigste Funktion – der Lernwille – ausgetrocknet.
Tipps für Eltern
Was kann man gemeinsam mit den Kindern unternehmen? Gemeint sind hier keine Freizeitaktivitäten. Gut wäre eine Aktivität, eine Aufgabe, um die man sich gemeinsam kümmert. Oder man geht gemeinsam auf eine Entdeckungsreise, die nicht mit einer Fernreise kombiniert werden muss. Eine bewusste Wahrnehmung und Beobachtung der Umgebung ist schon ein Anfang!
Hochsensibilität und/oder AD(H)S?!?
Viele Eltern entdecken den Wesenszug „Hochsensibilität“. Oft entsteht die Hoffnung, das Kind hat nicht AD(H)S sondern sei „hochsensibel“.
Kurzum gibt es hierzu keine allgemeingültigen Aussagen. Sowohl bei AD(H)S als auch bei Hochsensibilität besteht eine erhöhte Reizoffenheit als zentrales Merkmal.
Den wichtigsten Unterschied, den man möglicherweise feststellen kann, bezieht sich auf die Konzentrationsfähigkeit.
Ein Kind mit AD(H)S – Diagnose kann sich auch in einem friedlichem Umfeld nur schwer oder kaum konzentrieren, auch dann nicht, wenn es dies möchte.
Hochsensiblen Personen gelingt es jedoch oft sehr gut, sich zu konzentrieren.
Fazit:
Eine Feststellung der Hochsensibilität ist bei Kindern generell sehr schwierig gegenüber einer „Diagnose“ AD(H)S. Jedoch empfehle ich Ihnen zunächst durch feste Regeln und Training eine gewisse Gewöhnung und Routine in den Alltag zu bringen. Lassen Sie ihr Kind möglichst vielfältige Erfahrungen machen. Sprechen Sie bitte keine globalen Drohungen aus. Dies schadet !jeder! kindlichen Psyche! (z.B. Wenn du das nicht tust, hat dich Papa nicht mehr lieb…) Ergänzend kann durch Impuls- & Konzentrationstraining sowie psychomotorisches Bewegungstraining auch dieser Veränderungs- und Lernprozess aktiv sowie mit Freude und Spaß ohne Zwang und Leistungsdruck gestaltet werden.
Eine Zielerreichung geht nur mit dem Kind – nicht gegen das Kind. Eine Zielerreichung geht auch nur ohne Druck. Unter Stress und Druck kann kein Gehirn lernen. (Leistungs-)Druck wird jedoch von außen schon genug auf das Kind ausgeübt. Somit ist Nachsicht und die richtige Hilfestellung absolut entscheidend.